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Therapy-Slang: Trauma

| Allgemeines, Führungskräfte, Mitarbeiter,

Sicherlich haben wir schon öfter solche Sätze gehört wie „Das war total traumatisch für mich.“ oder wir haben erlebt, wie eine Begegnung mit einer Person oder ein Erlebnis an ein altes Trauma rührt.

 

Der Begriff des Traumas hat einen festen Platz in unserem Alltagsvokabular gefunden, und die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung wird auch von Laien mittlerweile schnell gestellt. Für viele Heldinnen und Helden der modernen Literatur und des Films, gerade aus dem Genre des Krimis, gehört das Trauma gleichsam zum Persönlichkeitsmerkmal. „Trauma has become synonymous with backstory.“, wie die Kritikerin Parul Sehgal im New Yorker in einem sehr lesenswerten Artikel konstatiert und die provokante Frage aufwirft, ob sich die Gegenwartskunst einen Gefallen damit tut, das Trauma zum konstitutiven Moment der Persönlichkeitsentwicklung zu erheben.[1]

 

Bestimmte Begriffe aus dem medizinischen und psychologischen Fachvokabular derart plakativ zu verwenden, ist nicht hilfreich. Auch wenn es unbedingt zu begrüßen ist, dass das Thema psychische Gesundheit und ihre Schieflagen in das öffentliche Bewusstsein gerückt sind. Sicher, manchmal bedarf es einer gellenden Tonlage, um sich auf dem vielstimmigen Markplatz der Meinungen Gehör zu verschaffen. Doch wenn das dazu führt, dass sich die Sichtweise verfestigt, dass leisen und bedacht formulierenden Menschen in ihrer Not nicht die nötige Beachtung geschenkt wird, dass ein „Trauma die Grundlage ist, um wachsen zu dürfen“ [2], wird es bedenklich, ja, gefährlich.

 

Es ist unstrittig, dass es erleichternd sein kann, eine Diagnose zu erhalten. Klarheit in einer unübersichtlichen Situation zu erlangen, ist ein berechtigter Wunsch. Auch Verantwortliche oder sogar Schuldige für die eine oder andere schlimme Situation ausmachen zu können, ist nachvollziehbar.

 

Der Begriff Trauma kommt aus dem Griechischen und heißt übersetzt so viel wie „Wunde“. Auch in der medizinischen Fachsprache ist der Begriff verortet. Bei akuten schweren Verletzungen des Körpers spricht man von Polytraumata. In Analogie dazu wird im Bereich der Psychologie mit einem Trauma eine seelische Verletzung bezeichnet.

 

„Ein Trauma ist ein belastendes Ereignis oder eine Situation, die von der betreffenden Person nicht bewältigt und verarbeitet werden kann. Es ist oft Resultat von Gewalteinwirkung – sowohl physischer wie psychischer Natur.“[3] Die Symptome eines Traumas treten oft erst verzögert nach dem als traumatisch erlebten Ereignisses auf, etwa durch eine unbewusste Reaktivierung des Traumas, d.h. durch eine ähnliche Situation, Person oder Umstände, (s. Beitrag „Therapy-Slang – Trigger").

 

Stress ist biologisch sinnvoll. Extremer und dauerhafter Stress wirken sich jedoch nachteilig auf Körper und Seele aus. Im Falle eines Traumas handelt es sich um Extrembelastungen, die auch im Gehirn Spuren hinterlassen können. In akuten, massiven Belastungssituationen ist das stressverarbeitende System überfordert. Als Folge können physische Reaktionen auftreten wie Zittern, Schwitzen oder Atemnot, aber auch psychische wie Aggressivität, Amnesie oder Niedergeschlagenheit, übergroße Angst oder Albträume. Bei Betroffenen wechselt der Wunsch, sich immer wieder mit dem Ereignis auseinanderzusetzen, mit dem, nicht darüber sprechen zu wollen, um sich vor Überwältigung zu schützen. Nach außen hin eine geradezu paradox anmutende Reaktion, die aber als Verarbeitungsversuch verstanden werden kann und im weitesten Sinn, dem Überleben dient. Es sind normale Reaktionen auf unnormale Situationen.

 

„In vielen Fällen werden traumatische Erlebnisse nach und nach bewältigt und bleiben ohne schwerwiegende längerfristige Folgen. Es kann sich jedoch auch in der Folge eine sogenannte Traumafolgestörung entwickeln.“[4] Wird eine posttraumatische Belastungsstörung nicht behandelt, kann das für Betroffene und ihr Umfeld ernste Auswirkungen haben.

 

„Wir erleben das Thema „Trauma“ immer in unterschiedlichen, individuellen Facetten. Für die Personen in unseren Beratungen ist es zunächst wichtig, sich über das Thema vertraulich in einem sicheren Rahmen bei uns austauschen zu können. Ein Trauma benötigt Zeit für die Aufarbeitung. Der erste wichtigste Schritt dafür ist, sich jemanden anvertrauen zu können und auch die damit verbundenen Emotionen in einem professionellen Rahmen mitteilen zu können. Für die betroffenen Personen sind regelmäßige und fixe Beratungstermine ein wichtiger Anker im Alltag. Oft sehen sie selbst den Bedarf weiterführend nach Ende der Beratung eine Psychotherapie für sich zu nutzen. Hier unterstützen wir bei der Psychotherapieplatzsuche und leiten unsere Klientinnen und Klienten nach den Beratungen in die Regelversorgung über. Für uns ist es von höchster Priorität, die Person dort abzuholen, wo sie sich gerade befindet und unsere Angebote passgenau auf die individuellen Bedürfnisse anzugleichen.“, so Boróka Demeter, stv. Leiterin der EAP-Beratung bei INSITE Interventions.

 

Eine gezielte Traumatherapie mit speziellen psychotherapeutischen Methoden kann helfen, traumatisierte Menschen wieder so zu stabilisieren, dass sie ihren Alltag bewältigen können.

 

Im Verlauf geht es darum, das traumatische Ereignis zu verarbeiten und so in das Leben zu integrieren, dass die Lebensqualität nicht mehr beeinträchtigt wird. Auch wenn es durchaus so etwas wie „posttraumatisches Wachstum“ gibt, sollten wir uns hüten, schlimme Erlebnisse zu verharmlosen oder als Booster für Resilienz zu verklären.

 

Schießen wir auf die Spatzen der alltäglichen Unannehmlichkeiten mit rhetorischen Kanonenkugeln, schaden wir dem öffentlichen Diskurs über psychische Gesundheit mehr, als dass wir ihm nützen. Achten wir also auf einen angemessenen Sprachgebrauch, sodass schwerwiegende psychische Diagnosen nicht zu Modediagnosen verkommen und das Leid von Betroffenen verharmlost wird.

 

 


[1]

www.newyorker.com/magazine/2022/01/03/the-case-against-the-trauma-plot

[2]

www.tagesspiegel.de/kultur/warum-plotzlich-alle-wie-therapeuten-klingen-wollen-4313278.html

[3]

www.deutsche-traumastiftung.de/traumata/

[4]

www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/trauma/symptome.html