(copy 1)

(copy 1)

Therapy-Slang: Burnout

| Allgemeines, Führungskräfte, Mitarbeiter,

 

„Ich fühle mich ausgebrannt“ oder „der Kollege ist so lange krankgeschrieben, vermutlich hat er Burnout.“ Diese oder ähnliche Sätze haben wir mit Sicherheit alle schon gehört. Der Begriff bietet aufgrund seiner vielfältigen Andock-Möglichkeiten eine Projektionsfläche, um auf Belastungen im individuellen oder professionellen Kontext aufmerksam zu machen. Das führt nicht selten dazu, dass Burnout in despektierlicher Weise als „Modeerkrankung“ oder „Managerkrankheit“ bezeichnet wird. „Zweite Diagnose“ gar in der Perversion als anerkennender Beleg für übergroßen Arbeitseinsatz.

 

Latifa Baddour, EAP-Beraterin bei INSITE, erläutert in diesem Beitrag, ob es sich hierbei wirklich um eine Trenderkrankung handelt, oder was wirklich hinter diesem Krankheitsbild steckt.

 

Burnout kann jede Person treffen. Das Burnout-Syndrom ist außerordentlich vielschichtig und zeigt sich nicht bei jedem Betroffenen gleich. Es handelt sich dabei um keine eigenständige Erkrankung. Vielmehr geht es um ein Zusammenwirken von mehreren Beschwerden, wobei Erschöpfung zumeist im Mittelpunkt steht.[1] Charakteristisch für das Burnout-Syndrom ist die vollständige körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung. Die Ursachen liegen im Zusammenspiel von chronischem Stress, dem individuellen Unvermögen der Stressverarbeitung und der Persönlichkeitsstruktur des Einzelnen. Burnout ist nicht per se gleichzusetzen mit Stress, der durch eine hohe Arbeitsbelastung entsteht. Auf Stress mit Erschöpfung zu reagieren, ist normal.

 

Zu einem Burnout kommt es vielmehr, wenn eine Anpassung an die stressige Situation nicht mehr möglich ist, weil Stress dauerhaft erlebt wird. Fehlende Erholungsphasen und -fähigkeit spielen bei der Entstehung von Burnout eine wesentliche Rolle. Die Belastungen können als so übermächtig empfunden werden, dass die eigenen Fähigkeiten zur Bewältigung der Anforderungen nicht (mehr) ausreichen. Auch gesellschaftliche Erwartungen und individuelle Disposition – z.B. ein geringes Selbstvertrauen, ein übertrieben perfektionistischer oder altruistischer Anspruch - können ihren Anteil daran haben, sich überfordert zu fühlen.

Wurde anfänglich Burnout oft als ein Phänomen gesehen, dass in direktem Zusammenhang mit dem Arbeitsumfeld steht, sieht man mittlerweile, dass Burnout auch durch Belastungen im persönlichen Umfeld ausgelöst werden kann, etwa durch die Pflege von Angehörigen. Ausgebrannt-Sein ist ein Symptom für eine krisenhafte Lebenssituation im Beruf und/oder Privatleben.

 

Weil es keine einheitliche Definition und medizinische Klassifikation gibt, gestaltet sich die klare Feststellung eines Burnouts oft als schwierig. Gerade die Abgrenzung zu einer Depression ist nicht einfach, denn viele Erscheinungsformen sind nahezu identisch. Burnout-Symptome können das Risiko erhöhen, eine Depression zu entwickeln. Bei Patienten mit depressiven Symptomen beziehen sich negative Gedanken und Gefühle meist auf sämtliche Lebensbereiche. Anders beim Burnout-Syndrom, wo häufig ein bestimmtes Lebensumfeld betroffen ist.[2] Trotz der Ähnlichkeit von Symptomen sei hier festgehalten, dass sich nicht hinter jedem Burnout eine Depression verbirgt.

 

Die Vermengung von Stress, Burnout und Depression kann einerseits zu einer Verharmlosung von psychischen Erkrankungen führen, anderseits zu einer falschen Behandlung. Gerade weil sich die Beschwerden so ähneln, sollten keine voreiligen (Eigen-)Diagnosen vorgenommen werden. Ob nun eine mentale Erschöpfung durch Stress oder eine beginnende Depression vorliegt - die Betroffenen sollten versuchen, die Ursachen für eine Überlastung, Erschöpfung oder anhaltende gedrückte Stimmung herauszufinden. Am besten zusammen mit ärztlichen und psychologischen Expertinnen und Experten. Nur so lassen sich gemeinsam Hilfsmaßnahmen ergreifen und eine geeignete Burnout-Behandlung oder bestenfalls Burnout-Prävention in die Wege leiten.

 

Mit leicht dahin gesagten Tipps wie „schlaf dich mal aus“, „fahr doch in den Urlaub“ oder „mach einfach mal gar nichts“, sollten wir uns zurückhalten. Für das Umfeld liegt die Herausforderung nicht selten darin, die Angehörigen oder die Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen, ohne die einzelnen Schritte vorzugeben oder die Autonomie der Betroffenen einzuschränken. Geduld ist gefragt. Diese aufzubringen, ist oft nicht leicht.

 

 

 


[1] In der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision (ICD-10-GM) wird Burnout nicht als eigenständige Erkrankung gelistet, sondern unter der Zusatzkodierung Z73 "Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung" eingeordnet. Auch in dem im Januar 2022 in Kraft getretenen ICD-11 gilt Burnout (QD85) nicht als eigenständige Erkrankung, zählt hier jedoch zu "Probleme(n) im Zusammenhang mit Beschäftigung und Arbeitslosigkeit".

[2]

www.barmer.de/gesundheit-verstehen/psyche/psychische-erkrankungen/burnout-syndrom-1055946