Es gibt viele Formen von Abhängigkeit, die sich im Arbeitskontext bemerkbar machen können - das kann Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch sein, aber auch illegale Drogen, Glücksspiel oder sogar digitale Abhängigkeiten wie exzessive Internet- oder Social-Media-Nutzung.
Entscheidend ist, dass das Konsum- oder Suchverhalten die Arbeitsleistung, das Teamklima oder die Gesundheit des Betroffenen beeinträchtigt.
Studien gehen davon aus, dass etwa 5 % der Beschäftigten ein riskantes oder abhängiges Konsumverhalten haben. Bei Alkohol liegt die Zahl sogar noch höher. Viele Fälle bleiben unentdeckt, weil Betroffene Angst vor Stigmatisierung oder Jobverlust haben.
Es ist wichtig zu wissen, dass Sucht eine Krankheit ist, bei der auch neurobiologische Prozesse im Gehirn ablaufen, die sehr machtvoll sind und es dem Erkrankten schwer machen sich von der Sucht zu lösen.
Die Definition von Sucht lautet: Sucht wird als das zwanghafte Verlangen nach bestimmten Substanzen oder Verhaltensweisen definiert. Die Substanzen oder Verhaltensweisen werden konsumiert bzw. beibehalten, obwohl negative Konsequenzen für die betroffene Person und für andere damit verbunden sind.
Sucht hat immer verschiedene Ursachen und meist ist nicht nur ein Faktor für die Erkrankung verantwortlich. Es gibt mehrere Faktoren, wie hoher Leistungsdruck, Schichtarbeit, Stress, Mobbing, unsichere Arbeitsverhältnisse oder auch eine Unternehmenskultur, in der Alkohol z. B. bei Feiern selbstverständlich ist.
In unserer Gesellschaft gilt Alkohol trinken zum „guten Ton“, es ist schon fast ein Problem, wenn man bei einem Geschäftsessen oder einer Firmenfeier Alkohol ablehnt. Man gilt schnell als „Spaßbremse“ oder „Gesundheitsapostel“.
Manche Menschen bringen zudem auch eine persönliche Vorbelastung mit – etwa familiäre Suchtgeschichten oder psychische Erkrankungen. (Starke) Emotionen, wie Wut, Trauer oder Anspannung werden dann durch Suchtstoffe oder sog. nicht stoffgebundene Süchte reguliert.
Es ist wichtig frühe Anzeichen einer Sucht zu bemerken. Warnsignale sind z. B.: häufige Fehlzeiten, Leistungsabfall, Stimmungsschwankungen, unzuverlässiges Verhalten, vermehrte Konflikte im Team, sozialer Rückzug oder körperliche Veränderungen wie nachlässiger in der Selbstpflege, Zittern oder auffälliger Geruch. Wichtig ist, einerseits nicht vorschnell zu urteilen und auch nicht abwertend darauf zu schauen, sondern das wohlwollende Gespräch zu suchen.
Hier ergeben sich schon erste Probleme, denn viele Kollegen oder Vorgesetzte haben Angst etwas falsch zu machen. Oft wird dann weggeschaut, bis es zu spät ist und dann kommt der große Knall. Das Gespräch ist dann, weil es sich so lange aufgestaut hat, eher direktiv und es kommt zur Konfrontation. Oder aber es wird lange übertrieben verständnisvoll und mit viel Mitleid agiert, ohne dass es wirklich zu einer Verhaltensänderung kommt. Hier ist es wirklich wichtig, die richtige Ansprache zu finden.
Das Wichtigste ist, nicht hinter dem Rücken zu reden, sondern ein wertschätzendes, aber klares Gespräch unter vier Augen zu führen – und dabei den Fokus auf die Arbeitsleistung zu setzen, nicht auf moralische Vorwürfe. Also eher: „Mir ist aufgefallen, dass Sie in letzter Zeit häufig zu spät kommen und Aufträge liegenbleiben, woran könnte das liegen?“ statt sofort mit der Tür ins Haus zu fallen mit einem Satz wie: „Ich glaube, Sie trinken zu viel.“.
So ein Gespräch sollte vorbereitet und mit genug Zeit geplant werden.
Fragen Sie sich:
Was sind meine Motive für dieses Gespräch? Was ist mein Gesprächsziel (konkret, positiv formuliert)? Was sind meine Interessen in diesem Gespräch? Welche Motive vermute ich bei meinem Gesprächspartner? Welche Themen möchte ich ansprechen? Welche möglichen Konflikte sehe ich? Was ist mir für eine Lösung wesentlich? Welche möglichen Übereinkünfte sehe ich? Sprechen Sie Probleme an, stellen Sie keine Diagnose, machen Sie keine Vorwürfe!
Formulieren Sie klar die Erwartung, dass sich der/die Betroffene mit dem eigenen Verhalten und den Ursachen auseinandersetzt.
Ein Unternehmen bzw. der Arbeitgeber spielt eine sehr große Rolle im Umgang mit der Erkrankung. Betriebe sollten klare Suchtpräventionsrichtlinien haben, Schulungen für Führungskräfte (insbesondere im Erkennen und Ansprechen der Problematik) anbieten und Anlaufstellen benennen – z. B. den Betriebsarzt, eine externe Suchtberatung oder Unternehmen wie INSITE, die bei der Vermittlung von professioneller Hilfe unterstützen können. Je früher man reagiert, desto besser sind die Chancen für eine erfolgreiche Unterstützung.
Betriebe und Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht, aber auch das Recht, bei arbeitsrelevanten Beeinträchtigungen einzuschreiten. Gleichzeitig gilt der Datenschutz: Gesundheitsinformationen dürfen nicht ohne Einwilligung weitergegeben werden.
Wichtig ist: Sucht ist eine Krankheit, keine Charakterschwäche. Es lohnt sich, frühzeitig hinzusehen, anzusprechen und Hilfe zu vermitteln. Niemand sollte allein mit dem Problem bleiben – weder Betroffene, noch deren Kolleginnen und Kollegen.
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