„Ist ja total schizophren“ oder „Der ist voll schizo“…
Unser Seelenleben ist vielschichtig, varianten- und nuancenreich. Wohl dem. Aber genau dieser Reichtum macht es nicht einfach, für unsere Gefühle und Empfindungen klare Worte zu finden. Da Gefühle subjektiv sind, ist eine verbale Äußerung per se von Unschärfen begleitet. Wie also nun Emotionen in Worte fassen? Wie sich unserem Gegenüber verständlich machen, wenn es um unser Seelenleben geht?
Anhand des Begriffs „schizophren“ lässt sich die Schieflage von wörtlicher Bedeutung und sprachlicher Verwendung gut zeigen.
Ludmila Peregrinova, Leitung des Interventions-Bereichs bei INSITE, klärt uns in diesem Beitrag darüber auf, wie das Krankheitsbild von Schizophrenie tatsächlich aussieht.
Wir verwenden im Alltag das Wort „schizophren“ oft als Zuschreibung für Menschen, deren Verhalten wir nicht verstehen, deren Verhaltensweise uns geradezu absurd erscheint und uns vielleicht stark irritiert.
In Wahrheit ist Schizophrenie eine schwere psychische Erkrankung, bei der Wahrnehmung und Gedanken verändert sind.
Der aus dem Griechischen stammende Begriff „Schizophrenie“ bedeutet übersetzt so viel wie „gespaltenes Bewusstsein“. Der Begriff setzt sich zusammen aus den Wortteilen schizo (= "spalten") und phren (= "Geist" oder "Psyche"). Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, eingeführt von dem Schweizer Psychiater Eugen Bleuler, etablierte sich die Wortbedeutung.
Eine an Schizophrenie erkrankte Person wird oft mit der literarischen Figur „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ von Robert Louis Stevenson verglichen. Zwar sind Wahrnehmung und Verhalten phasenweise stark verändert, und ja, Menschen, die an Schizophrenie leiden, erleben die Welt anders als ihre gesunden Mitmenschen, doch sie tragen nicht mehrere Persönlichkeiten in sich. [1] Wörtlicher Sinn und Wortverwendung gehen stark auseinander.
Schizophrenie ist weltweit verbreitet und gar nicht so selten. „Mit Anfang 20, dem Lebensalter, wo es um Veränderungen, berufliche und soziale Herausforderungen geht, erfahren etwa 1 % der Menschen in Deutschland eine oft nur einmalige schizophrene Phase.“[2]
Experten und Expertinnen sprechen von einer Erkrankung, die von „innen heraus entsteht“, ohne erkennbare Ursachen oder im Zusammenhang mit bestimmten Erlebnissen.
In der Regel müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, damit die Krankheit ausbricht: Genetische Veranlagung, biographische Faktoren, eine veränderte Gehirnstruktur, Umwelteinflüsse, aber auch biochemische Ursachen, wie eine veränderte Dosierung der Botenstoffe Serotonin und Dopamin können eine Rolle spielen.[3]
Steht die Diagnose fest, wird zunächst ein individuelles gesamttherapeutisches Konzept erstellt. Ziel aller therapeutischen Maßnahmen ist es, die Krankheitssymptome zu lindern und den Patienten zu befähigen, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Oft fußt die Behandlung auf 3 Säulen – einer medikamentösen Behandlung, Psychotherapie und Soziotherapie, also der Wiedereingliederung in den Alltag. Im besten Fall geht die Stabilisierung so weit, dass auch eine Wiederaufnahme des Berufslebens möglich wird.
Die gute Nachricht: Der Behandlungserfolg ist gut.
Betroffene und nicht selten auch deren Angehörige müssen immer noch gegen viele Vorurteile kämpfen; zum Teil fußend auf der eingangs erwähnten falschen Annahme, dass an Schizophrenie erkrankte Personen eine gespaltene Persönlichkeit haben. Eng verbunden damit die Annahme, dass sie gewaltbereit und/oder unberechenbar seien. Nicht zuletzt deshalb behalten Erkrankte die Diagnose „Schizophrenie“ für sich - vermeiden sogar den Kontakt zu Therapien und Medizinern und ziehen sich im schlimmsten Fall zurück.
Mittlerweile gibt es verschiedene Initiativen, die sich dafür einsetzen, das Stigma der Schizophrenie zu überwinden, um über die Krankheit aufzuklären und sich für Betroffene und ihre Angehörigen einzusetzen.
Wenn wir also um diesen Zusammenhang von falschen Annahmen und deren fatalen Auswirkungen bei den Betroffenen wissen, sollten wir unserer Wortwahl Aufmerksamkeit schenken. Denn wie etwas verstanden wird, auf welchen Boden Worte treffen und wie diese dort Wirkung entfalten, bestimmt immer noch mein Gegenüber.
[1] https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/schizophrenie-und-schizophrene-psychosen/ https://www.gesundheitsinformation.de/schizophrenie.html
[2] https://tww-berlin.de/kliniken/krankheitsbilder/schizophrenie/
[3] www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/psychische-erkrankungen/was-ist-schizophrenie-2017900