Krisen gehören zum Leben und sie machen auch vor dem Arbeitsplatz nicht halt. Jährlich passieren in Deutschland 780.000 Arbeitsunfälle, davon 12.000 durch Gewalteinwirkung. Hinzu kommen, unabhängig vom Arbeitskontext, über 950.000 Trauerfälle pro Jahr in Deutschland. Hinter all diesen Zahlen stehen Menschen, Kolleg:innen, Teams und Situationen, die von einem Moment auf den anderen alles verändern können.
Wenn das seelische Gleichgewicht ins Wanken gerät
Von einer Krise sprechen wir, wenn Menschen ihr inneres Gleichgewicht verlieren – wenn Ereignisse auftreten, die momentan nicht bewältigbar sind. Dies spüren Betroffenen auf allen Ebenen, zum Beispiel durch Schlafstörungen, Ängste oder starke Unruhe. Das sind normale Reaktionen auf belastende Erlebnisse. Und doch fühlt sich das Erleben oft isoliert an – als würde der Boden unter den Füßen schwanken, während alle anderen weitermachen.
Was Menschen dann brauchen, ist das, was ihnen in der Regel durch eine schlimme Situation erstmal genommen wurde: Sicherheit und Orientierung. Jemand, der zuhört. Klare Informationen. Das Gefühl, nicht allein zu sein. Und die Möglichkeit, die nächsten Schritte im eigenen Tempo machen zu dürfen.
Wenn ein Ereignis den Arbeitskontext trifft, sind selten nur Einzelne betroffen. Kolleg:innen, Führungskräfte, Geschäftspartner:innen – der Grad der Betroffenheit ist dabei ganz unterschiedlich. Dazu kommt, dass wir alle individuell auf Krisen reagieren: Die einen ziehen sich aufgewühlt zurück, die anderen können es vielleicht noch gar nicht realisieren und wollen einfach mit dem Alltag weitermachen. Gerade in solchen Momenten wird deutlich, wie wertvoll eine gelebte Kultur des Miteinanders ist. Offene Kommunikation und Empathie ist die Basis, um sich in einer unfassbaren Situation gegenseitig zu stützen.
Gemeinsam durch schwere Zeiten
Ein Unternehmen kann viel tun, um Halt zu geben, indem auch vorbeugend Zuständigkeiten geklärt werden, Notfällpläne erstellt werden und die Grundlage für eine offene Gesprächskultur gestärkt wird.
In einer Krisensituation können viele Ansprechpartner:innen zur Stabilisierung beitragen. Manchmal ist aber auf die Schnelle gar nicht klar, welche Angebote es gibt und wer nun helfen kann. Ein zentrales Merkmal der Krise ist, dass viele Menschen gleichzeitig schnell helfen wollen. Das ist gut gemeint, führt aber manchmal zu Chaos – ein weiteres Merkmal von Krisen.
Krisenmanagement beginnt nicht erst im Ernstfall
Klare Zuständigkeiten und der Zugang zu Unterstützungsangeboten können auch vor einer Krise geklärt und organisiert werden und helfen im Ausnahmezustand enorm.
In der Akutphase kann es helfen, wenn Führungskräfte präsent sind, zuhören, informieren und die Prioritäten des Alltags anpassen. In der Zeit danach, wenn der Alltag langsam zurückkehrt, können Rituale, weitere Gespräche und achtsame Begleitung hilfreich sein, um nicht Gefahr zu laufen, einfach nur zu funktionieren. Freiwilligkeit ist dabei in allen Phasen das oberste Gut, denn auch ein gut gemeintes Angebot ablehnen zu dürfen, kann Orientierung und Sicherheit bedeuten.
Krisen sind auch und insbesondere für diejenigen belastend, die gleichzeitig helfen. Gerade Führungskräfte und Personalverantwortliche können in dieser Zeit von Unterstützung profitieren, um ihre doppelte Rolle – Stütze zu sein und selbst betroffen zu bleiben – bewältigen zu können.
Leid ist individuell. Niemand kann wissen, wie sich die Krise eines anderen anfühlt. Und doch kann jede Geste und jedes offene Wort einen Unterschied machen. Wenn Unternehmen Verantwortung übernehmen und eine Kultur schaffen, in der eine Krise kein Tabu, sondern Teil menschlicher Realität ist, dann entsteht Raum für Stärke und Zusammenhalt. Denn Krisen können trennen – oder uns verbinden.
Mit unserem EAP- und Beratungsangebot unterstützen wir Menschen und Organisationen dabei, auch in schwierigen Momenten Halt zu finden, Orientierung zu geben und gemeinsam wieder in Balance zu kommen. Denn niemand sollte mit einer Krise allein bleiben.
Literatur
Achenbach, T. (2020). Mitarbeiter in Ausnahmesituationen: Trauer, Pflege, Krise. Ein Leitfaden für Führungskräfte, Personalverantwortliche und Betriebsräte. Campus Verlag.
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (2023). Statistik Arbeitsunfallgeschehen. https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/4990
Lasogga, F. Gasch, B. (2011). Notfallpsychologie: Lehrbuch für die Praxis. Springer.
Nikendei, A. (2017). Pschosoziale Notfallversorgung (PSNV): Praxisbuch Krisenintervention. Stumpf+Kossendey Verlag.
Statistisches Bundesamt (2024). Statistischer Bericht - Sterbefälle 2024. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/_inhalt.html#_r6tcjxbrn